Ralf Thenior zu Gast in der JGR
Kinderbuchautor zu Gast in der JGR
Am 27. April durfte die Johann-Gutenberg-Realschule den bekannten Kinder- und Jugendbuchautor, Essayist und Lyriker Ralf Thenior zu einer Autorenlesung begrüßen. Aus Anlass des Welttages des Buches hatten die Schülerinnen und Schüler, Eltern und das Kollegium die Gelegenheit, einen Schriftsteller mit vielen Fragen rund ums Bücherschreiben zu löchern und sich einfach etwas vorlesen zu lassen.
Von 16.00 bis 18.30 Uhr waren die 5. bis 7. Klassen eingeladen, das Buch „Schröder, du dummer Hund“ kennenzulernen. Die erste Frage, die Herr Thenior allerdings den Kindern zu beantworten hatte, ist die nach seiner Entscheidung für die Schriftstellerei. Spannend holte der Autor aus und erzählte von seinem großen Vorbild Bernhard Müller. Sein Grundschullehrer Müller schrieb in seiner Freizeit viele mundartliche Stücke für das Ohnsorg-Theater in seiner Geburtsstadt Hamburg. Als Müller gebeten wurde, doch einmal etwas für Kinder zu schreiben, kam 1952 das Weihnachtsmärchen „Der lustige Schneemann“ zur Aufführung. Thenior erinnert sich, dass die gesamte Schule mit der Straßenbahn quer durch die Stadt fuhr. Die große, nachhaltig wirkende Verblüffung kam am Ende des Stückes, als sein Lehrer auf die Bühne trat. Ihm spendeten die Kinder einen lang anhaltenden Applaus. Seit diesem Moment war Thenior klar, dass auch er Schriftsteller werden wollte.
Die Spannung steigt unter den Kindern, nun etwas von ihm und seinen Geschichten zu hören. Thenior erklärt noch, was der Anlass für das Kinderbuch „Schröderbuch, du dummer Hund“ war. Er hatte einen kurzen Zeitungsartikel gelesen, der von der Rettungstat eines Mischlings berichtete. Thenior witzelt, dass ihm häufig unterstellt wurde, der Titel sei eine Anspielung auf den Altkanzler Schröder, zu dessen Regierungszeit die Erstauflage erschien. Im Buch ist der Namensgeber des Hundewelpen jedoch der Kurzwarenhändler von der Ecke mit seinen lustigen Marotten.
Als Aufwärmübung und Einstieg in die Geschichte von Schröder fordert der Moderator und Organisator der Veranstaltung Michael Schubert die jungen Zuhörer auf, sich der Geschichte einmal auf eine ungewöhnliche Art und Weise anzunähern. Die Kinder sollen den Buchtitel einmal auf die verschiedenste Art und Weise laut aufzusagen. Wie würde man Schröder beim Diebstahl des sonntäglichen Sauerbratens der Nachbarin, beim unerlaubten Schlafen im Bett oder nach dem Verzehr eines Maulwurfgiftes wohl schimpfen? Bevor Ralf Thenior nun wirklich mit dem Vorlesen starten kann, erwartet die Kinder noch das eigens entwickelte Literatur-Bingo. Niklas ist der Erste, der seine sechs aus 60 angebotenen Wörtern beim Vortrag raushört und den Vorleser kurz mit einem lauten BINGO unterbricht. 90 Minuten lang tauchen die Kinder nachfolgend in die Geschichte von Daniel und seinem Hund ab. Sie schlagen jede vom Autor angebotene Pause aus, um ja bis zum Ende zu kommen. Mit sichtlicher Freude nimmt Herr Thenior diese anstrengende Rolle gerne an.
Bis zur nachfolgenden Veranstaltung für die 8. bis 10. Klassen bleiben dem Autor immerhin noch einige Minuten zur Stärkung. Der zweite Teil soll auch keineswegs eine Einmannschau werden. In der Konzeption der Johanns-GesprächsRunde wechseln sich Diskussionen unter den Teilnehmern und Impulse aus dem Interview mit dem Autor ab. Themen sind unter anderem ein reduzierter Wortschatz in sozialen Medien, eine teilweise sehr grobe, aggressive und vulgäre Umgangssprache bis hin zu einer um sich grei-fenden Sprachlosigkeit in Beziehungen. Als Anschauungsbeispiel dient ein Blick in die deutschsprachige RAP-Szene. Herr Thenior, der auch selbst gerne auf Anglizismen zurückgreift, positioniert sich als Verfechter einer unzensierten Sprachentwicklung. Er sieht die Sprache als einen lebendigen Organismus an. Kritischer beurteilt er die Beziehung der Menschen zum Buch. Wohingegen das Lesen ihm selbst als Quelle für Eigenkreativität dient. „Über das Lesen passiert etwas im Menschen, was er woanders nicht bekommt.“ Thenior erklärt den jungen Erwachsenen und einigen Eltern, wie er auf die Idee gekommen ist, die Dortmunder Graffitiszene in seinem Buch „Die Nacht der Sprayer“ näher zu beleuchten. Am Beispiel seines Jugendbuchs „Die Straße der Diebe“, aus dem er noch vorliest, macht er deutlich, dass umfangreiche Recherchen, ein klares Konzept und das Ziel die Arbeit eines Schriftstellers bestimmen. Auf die Frage, ob es sich von der Schriftstellerei gut leben lässt, antwortet Ralf Thenior, dass er keinen Hunger leidet und eigentlich recht zufrieden sei. Neben seinen Romanen konnte er mit Reiseberichten die angenehme Seite des Berufs ausleben. Seine Vorliebe sei Bulgarien und er plane für das nächste Jahr eine Rundreise entlang der Ufer des Schwarzen Meers. Thenior zeigt eine tiefe Verbundenheit mit Dortmund und den Menschen in der Nordstadt. Den Abend beschließen Gedichte aus Theniors Sammlung seiner lyrischen Texte über 40 Jahre. Seine Betonung und seine ganz eigene Sprachmelodie wecken in den Zuhörern Assoziationen zu den RAPs zu Beginn der Veranstaltung. Viele von Theniors Gedichte sind mit wörtlicher Rede durchzogen, wodurch sie besonders lebendig und authentisch wirken. Den 10.-Klässler, die sich im Deutschunterricht momentan mit Lyrik beschäftigen, kann ihre Faszination an den Augen abgelesen werden. Auf die Frage, wie es ihnen gefallen habe, lautet uni sono die Antwort, dass sie sich eine solche Veranstaltung öfter wünschen würden. Schulleiter Schürrle sieht dieses genauso, wenngleich er sich bereits dieser Veranstaltung noch mehr Zuspruch gewünscht hätte. Die Begeisterung der Kinder, Jugendlichen und Eltern ist ein großes Kompliment an den Autor und das beste Argument für eine Fortführung.
Text und Bild: Michael Schubert