Gandhipreis ... was ist das eigentlich?
Interview mit Reinhold Weber nach der Jurysitzung zum Gandhipreis 2018
Der Gandhipreis 2018 wird am 29.05.2018 an der Johann-Gutenberg-Realschule in der 5. und 6. Stunde bei einer Feier im PZ verliehen. Die Preisträger stehen fest. Sie wurden aus zahlreichen Nominierungen von Eltern-, Schüler-, Lehrervertretern und Herrn Reinhold Weber ausgewählt. Doch was genau verbirgt sich eigentlich hinter der Idee des Gandhipreises? Wir haben nachgefragt:
Interview mit Reinhold Weber zum Gandhipreis
Was machen Sie beruflich?
Ich war früher auch einmal an einer Schule tätig, bin aber jetzt schon 5 Jahre pensioniert. Ich betreue den Gandhi-Preis an verschiedenen Schulen in Nordrhein-Westfalen und besuche dann z.B. solche Jurysitzungen oder Preisverleihungen.
Wie sind Sie zu dem Gandhi-Preis gekommen?
Mich interessieren die Themen „Gewaltfreiheit“ und die Friedensforschung sehr. Ich war in dem Zusammenhang auch schon in meiner Jugend aktiv. 1997 habe ich den Gandhi-Preis an einer Schule gestiftet. Mittlerweile sind es etwa 7 Schulen, die den Gandhi-Preis auch vergeben. Mir war es wichtig, dass nicht nur Schülerinnen und Schüler an Schulen auffallen, die sich negativ gezeigt haben, die gewalttätig geworden sind oder Strafen kriegen müssen. Mir war wichtig, dass einmal Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt stehen, die etwas Gutes gemacht haben, die mutig gewesen sind, die Zivilcourage gezeigt haben oder irgendetwas aufgebaut haben in der Schule für andere, die hilfsbereit waren… Dass die mindestens einmal im Jahr in die Öffentlichkeit kommen und dafür gelobt werden.
Wer vergibt den Preis?
Die Fördergemeinschaft für Friedensarbeit und Gewaltlosigkeit vergibt den Preis in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Schule. Es ist immer eine Partnerschaft des Vereins und der Schule.
Wie kann man sich genau qualifizieren für diesen Preis?
Wir haben verschiedene Kriterien aufgestellt, die wir uns immer wieder anschauen. Streitschlichtung spielt in vielen Schulen mittlerweile eine große Rolle. Es gibt dann z.B. manchmal Schülerinnen oder Schüler, die besonders auffallen, die besonders engagiert sind, oder die ein Konzept erarbeiten für die Schule oder dergleichen. Das können z.B. Leute sein, die den Preis bekommen. Es kann aber auch sein, dass jemand eingegriffen hat, wenn jemand erniedrigt oder gemobbt wurde, was ja leider heutzutage immer häufiger vorkommt. Diese Schülerinnen und Schüler haben dann nicht nur zugeguckt, sondern haben wirklich eingegriffen, auch wenn sie ganz alleine waren. Dann ist uns wichtig, dass bei solchen Konflikten keine Gewalt eingesetzt wird. Also wenn man Streit schlichtet, dass man dann andere Möglichkeiten einsetzt. An Schulen werden oft diese Möglichkeiten gezeigt und eingeübt von Trainern.
Wenn Schülerinnen und Schüler sich so einsetzen, muss es noch nicht mal nur in der Schule sein. Wir hatten auch schon Preisträger, die auf dem Schulweg in der Bahn eingegriffen haben und das ist von anderen gesehen worden und dafür gab es dann den Gandhi-Preis. Den Preis bekommen auch Leute, die sich für Benachteiligte einsetzen, die nicht zum Freundeskreis gehören, die sie vielleicht gar nicht kennen. Manche setzen sich auch ein, dass ungerechte Strukturen abgebaut werden oder es gibt welche, die sich für ein friedliches Zusammenleben einsetzen. Manchmal führt das auch zu Patenschaften mit anderen Ländern.
Welche Schulen vergeben noch den Gandhi-Preis?
Er wird in zwei Schulen in Düsseldorf, zwei Schulen in Dortmund, einer in Köln und einer in Essen vergeben.
Wie läuft so eine Gandhi-Preis-Verleihung an anderen Schulen ab?
Das ist ganz verschieden. Es gibt Schulen, die machen es so wie ihr: eine eigene Veranstaltung, bei der nur der Gandhi-Preis vergeben wird. Dann gibt es manchmal Veranstaltungen, bei denen alle Preise und Ehrungen des ganzen Schuljahres vergeben werden – vom Sportfest über Musik- und Sprachpreise und da ist dann der Gandhi-Preis der Höhepunkt. Dann gibt es Schulen, da organisiert das die Schülervertretung, macht eine eigene Veranstaltung mit Musik und Schülerbeiträgen. Es werden Gedichte vorgelesen, Theater wird gespielt. Der Gandhi-Preis ist dann der wichtigste Punkt. Eine Schule macht das auch im Zusammenhang mit einem Neujahrsempfang. Da werden alle, die an der Schule mitgearbeitet haben, im Januar eingeladen und es findet eine Feier statt mit viel Musik und Theater und es kommt sogar der Bürgermeister, der den Preis vergibt.
Was symbolisiert der Preis?
Wir möchten das Positive in den Blick rücken und dabei an das, was Gandhi in Indien gemacht hat, erinnern. Er hat auch klein angefangen und hat sich immer weiter entwickelt. Er hat auch Fehler gemacht, es aber selbst zugestanden. Er hat sich für die Unabhängigkeit Indiens eingesetzt und ist wegen seines Einsatzes 1948 erschossen worden. Im Andenken an ihn und was er alles an andere weiter gegeben hat und auch heute noch weiter gibt, möchten wir diesen Preis vergeben.
Kann es überhaupt Frieden auf der Welt geben?
Ich glaube, es gibt nie einen Zeitpunkt, wo man sagt, jetzt gibt es Frieden auf der ganzen Welt. Es wird immer so sein, dass sich ganz viele einsetzen für den Frieden, dass man versucht, dem näher zu kommen. So hat Mahatma Gandhi das auch gemacht. Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem man sagt, es ist fertig, man hat es geschafft. Das gehört auch zum Menschen dazu, zur Erde und zu den verschiedenen Religionen. Aber es gibt viel bessere Methoden als die, die heute angewandt werden. Es wird heute unheimlich viel Geld investiert in das Militär und in solche Auseinandersetzungen und es wird viel zu wenig eingesetzt in Prävention, also in die Vorbereitung auf Konflikte, dass Leute trainiert werden: Wie kann ich mich in Konflikten verhalten? Dass Leuten beigebracht wird: Wie kann ich mit anderen Verträge aushandeln? Also in diesem Bereich von Friedens- und Konfliktforschung müsste viel mehr getan werden an personellem Einsatz und auch finanziellem Einsatz. Das ist leider auch in Deutschland noch viel zu wenig.
Was unternehmen Sie, um den Frieden zu garantieren?
Garantieren kann ich nichts. Ich kann mich nur dafür einsetzen – an den verschiedensten Stellen. Ich habe es an meinem Arbeitsplatz versucht, damals in der Schule, auch mit solchen Aktionen, wo wir in die Öffentlichkeit gegangen sind, aber auch im Klassenleben, z.B. bei der Frage: Wo soll die Klassenfahrt hingehen? Da habe ich in den Klassen eine Technik eintrainiert, wie man zu einer Entscheidung kommen kann, zu der am Ende alle ja sagen, wo es nicht eine Minderheit gibt und welche überstimmt werden. Wo dann alle sagen, das ist ok – einstimmig. Bis hin dann zu der Art, wie man unterrichtet, dass die Schüler beteiligt sind, dass sie bei Entscheidungen selbst eine Rolle spielen können. Aber natürlich auch zu Hause.
Was können wir dazu beitragen?
Ich denke, das macht ihr schon.
Warum ist dieser Preis wichtig?
Ich glaube, es ist wichtig, dass immer mehr erfahren, warum es diesen Preis gibt, wie man diesen Preis bekommen kann, damit es um sich greift. Ich habe es mal in einem Festvortrag dargestellt an dem Beispiel von Kleinkindern. Man sagt ja immer, der Mensch ist halt so. Aber schon die kleinsten Kinder, die noch gar nicht sprechen können, entscheiden sich eher für sympathisch und friedfertig und positiv erscheinende Dinge als für schlechte oder aggressive. Das wurde in Versuchen festgestellt. Sie haben sich eher für eine Person entschieden, die geholfen hat und nicht für die anderen. Es gibt auch Untersuchungen, wo einer am Morgen jemand anderem gegenüber etwas Positives gesagt oder gemacht hat und dann wurde das nachverfolgt, wie sich das immer weiter ausgewirkt hat. Die Person kam dann an ihren Arbeitsplatz und hat auch plötzlich was Positives gemacht. Das Positive hat sich dann so weiter entwickelt wie eine Lawine, obwohl die Einzelnen gar nichts voneinander wussten.
Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?
Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass das, was hier an der Schule ist und wie sich Personen engagieren, dass das so weiter geht und dass das immer weiter um sich greift – ganz konkret. Schüler können den Preis bekommen, Lehrer, Eltern, Hausmeister oder jemand, der den Kiosk macht. Also eigentlich muss man nur die Augen offen halten und dann gibt es welche, die sich positiv darstellen und sich engagieren. Wenn das hier an der Schule so weiter entwickelt wird, dass das dann immer mehr werden, das finde ich toll.
Fragen formuliert vom Kurs Text it! Jahrgangsstufe 10, Interview durchgeführt von Nisa Yalcinkaya und Frederic Hanné – 9mk, Fotos: Claudia Werner