"Du .....!"
Bericht zur spannenden JohannsGesprächsRunde zum Thema "Übergiffige Sprache"
«Du Mixer!», beschimpft wutentbrannt der Vierjährige seine Mutter, als sie ihm die Herausgabe eines Kinderriegels verweigert. Eigentlich hatte er im Kindergarten das Wort „Wichser“ aufgeschnappt. Da er es nicht einordnen konnte, musste nun der Mixer zum Frustabbau herhalten.“ Mit dieser lustig anmutenden Anekdote eröffnet die zur vierten Runde von JohannsGesprächsRunde eingeladene Referentin den Abend. Es soll ein Abend voller verbaler Entgleisungen werden. Dieses ist allerdings voll beabsichtigt. Denn gemeinsam mit der Referentin Petra Rottmann von der Einrichtung Wildwasser in Hagen nehmen sich Eltern und Lehrer dem Phänomen übergriffiger Sprache und grenzverletzendem Verhalten unter Jugendlichen, aber auch zwischen Erwachsenen und Kindern an. An zahlreichen Fallbeispielen diskutieren die Anwesenden heftig, ob es sich bei den beschriebenen Situationen um Beschimpfungen aus Unkenntnis, um die Kompensation eigener Unsicherheiten, um einen Ausdruck von Jugendkultur oder um bewusste Akte von Erniedrigung und Demütigung handelt.
Eine eindeutige Kategorisierung und Grenzziehung ist nicht immer einfach, da die Absicht für den Gebrauch von Wörtern aus den Bereichen Körper, Genus, Sexus oder Pornografie kontextualisiert werden müssten. Am Beispiel von Freudinnen, die sich spaßig bis liebevoll gegenseitig als Bitches bezeichnen, wird deutlich, dass die von außen als üble Beschimpfung zu bewertende Anrede in einem abgegrenzten Gruppenumfeld durchaus eine andere Bedeutung haben kann. Soziologisch betrachtet definiert sich Gruppenidentität auch über einen eigenen Sprachcode, der sich Erwachsenen nur ansatzweise erschließt, müssen die Gäste zugeben.
Vor allem Begriffe aus dem anglo-amerikanischen Raum, die oftmals durch die Musik wie den Rap in den deutschen Sprachraum importiert werden, durchlaufen zahlreiche Transformationsprozesse. Dabei können sie zum einen ihre sexuellen Bezüge verlieren und werden fast synonym zu blöde, dumm, idiotisch und so weiter verwendet. Zum anderen beschreiben sie besonders vulgär Sexualpraktiken und sind eindeutig assoziiert mit pornografischen Inhalten. Doch was kann als Ausdruck von Jugendkultur akzeptiert werden und wo ist Intervention angezeigt? Frau Rottmann spricht an dieser Stelle eindringlich von einer „Kultur der Erniedrigung“, die sich bei fehlender Intervention breit macht.
Der Weg von obszönen Gesten, das Zeigen und die Weitergabe von pornografischen Bildern und Filmen, über Berührungen gegen den Willen einer Person bis hin zu sexueller Nötigung und Vergewaltigung sind vorgezeichnet. Sie appelliert an Eltern und Lehrkräfte nicht wegzuhören, sondern hinzuhören und nachzufragen. „Ist doch nicht so schlimm“ oder „stell dich nicht so an“ sind sicherlich die falschen Signale, Kindern und Jugendlichen grenzachtendes Verhalten zu vermitteln. Sprachreflexion gehört zur pädagogischen Verantwortung von Eltern und Lehrerinnen und Lehrern. Die Schule ist aufgerufen, ein Schutzkonzept zu entwickeln und in Netzwerken gegen sexuelle Gewalt mitzuwirken. Ein engmaschiges Netz an Bezugs- und Vertrauenspersonen kann beschämten Kindern und Jugendlichen helfen, wenn sie Opfer übergriffiger, gewalttätiger Sprache und körperlicher Attacken geworden sind. „Die Erwachsenen setzen den Rahmen, grenzverletzendes Verhalten von Lehrkräften geht gar nicht“, meint Frau Rottmann. Mit dem Themenabend in einer sehr offenen, intimen und ehrlichen Atmosphäre ist der Anfang gemacht, sensibel im Umgang miteinander und im Umgang mit sexualisierter Sprache zu sein. Die Teilnehmer melden uno sono zurück, wie gut und wertvoll sie die Erwachsenengespräche empfinden.
Dankbar und interessiert zeigen sich die Eltern für die Aussicht auf die Fortführung von JohannsGesprächsRunde im nächsten Schuljahr. Herr Schubert kündigt an, dass vor allem Themen aus dem Bereich der Kindergesundheit geplant sind. Von der Kontroverse rund ums Impfen, über gesunde Ernährung, gestresste Kinder bis zur psychischen Gesundheit wird die Palette reichen.
Nachgetragen sei an dieser Stelle noch, dass die Medienscouts der Schule die Gelegenheit des Abends nutzten, ihre Arbeit den Eltern vorzustellen. Sie berichten von den besuchten Seminaren zur Qualifizierung und ihren Angeboten an die Mitschülerinnen und Mitschüler. Diese können sich nun mit allen Fragen und Problemen rund ums Smartphone und mehr an die Medienscouts wenden. Sie kennen sich aus im Dschungel sozialer Netzwerke. Sie kennen die Tücken und geben Tipps. Sie organisieren Hilfe z.B. im Fall von Cybermobbing. Unterstützt werden sie dabei von Seiten der Schule durch Frau Werner und Herrn Föst, die ebenfalls als Medienscouts ausgebildet wurden.
Herzlichen Dank für den professionellen Auftritt und die souveräne Präsentation.
Text: Michael Schubert - Comics von Kira Lipphöfer im Auftrag der HP